Understatement bedeutet ja fast alles,
aber nicht „unpassend“!
Ich hatte bisher zwei Vorstellungsgespräche, bei denen ich mich im Anzug fast unwohl gefühlt hätte. Aber nur fast, denn ich finde ein Anzug ist ein sehr schönes Kleidungsstück und daher trage ich Anzüge aus Lust und nicht aus Zwang.
In diesen beiden Situationen wurde ich jedoch direkt auf meine Kleidung angesprochen, vor allem, weil sie nicht mit der meiner Gesprächspartner übereinstimmte.
Bei der ersten Begebenheit war ich dann aber doch froh, dass ich in den 2 Minuten Wartezeit noch schnell das Einstecktuch habe verschwinden lassen, sonst wäre der Unterschied zum Outfit des Creative Director und des Marketingmanager doch zu extrem gewesen.
Ok, ich konnte es mir ja eigentlich denken, in einer Social Media Agentur sind Jeans & T-Shirt ordnungsgemäße Kleidung und ich war daher durchaus darauf gefasst, im Anzug aufzufallen, aber meine BE-Werbung ist ja generell nicht von Unauffälligkeit geprägt und, wie schon erwähnt, ich habe eine Leidenschaft für schöne Anzüge.
Etwas verwunderter war ich aber schon, als mir in deutlich konservativerem Umfeld der Leiter der Abteilungen Marketing und Vertrieb in Jeans und Hemd gegenüber saß. Ok, ich erkenne hochwertige Schuhe und Uhren, wenn ich sie sehe, und „Understatement“ ist mir lieber als Übertreibungen, aber ich stelle mir natürlich auch die Frage, wie man wohl reagiert hätte, wenn ich nicht im Anzug erscheinen wäre.
Und da sind wir beim Thema Dresscode, denn selbst wenn in einer Firma keine Kleiderordnung herrscht und damit die Kleiderwahl auch lockerer ausfallen kann, sobald diese Firma sich präsentiert, egal ob beim Kunden oder auf einer Messe, werden von den entscheidenden Personen dann die Anzüge aus dem Schrank geholt.
Ein Vorstellungsgespräch ist nun mal nichts anderes als eine Selbst-Präsentation und daher ist es unabdingbar, dass man dort ordentlich gekleidet erscheint – und bei Jobs die an Hochschulabsolventen üblicherweise vergeben werden ist das einfach ein Anzug.
Klar, man muss sich auch wohlfühlen in seiner Kleidung und einem Bewerber, der sich im Anzug unwohl fühlt sieht man das an, aber dies ist bereits die erste Hürde auf dem Weg zum Job: fühlt man sich im Anzug unwohl, ist man für Positionen eher ungeeignet, in denen dies die tägliche Arbeitskleidung ist.
Der Dresscode eines Unternehmens lässt sich meist recht einfach herausfinden, zum einen Anhand der Branche (Wirtschaftsprüfer, Versicherungen und Finanzdienstleister sind z.B. konservativer als die Bereiche Forschung und Entwicklung) zum anderen anhand des Auftritts des Unternehmens selbst. Das Outfit der Mitarbeiter auf einer Jobmesse aber gerade auch Fotos auf der Firmenwebseite oder in Sozialen Netzwerken geben einen guten Einblick in den Alltag des Unternehmens und wie man dort gekleidet ist.
Wichtig ist aber auch, sich an der Firmenfarbe zu orientieren.
Für ein Gespräch bei der Deutschen Bank verzichte ich bei der Krawatte besser auf die Farbe gelb, denn die ist bei der Commerzbank, also der Konkurrenz, die Hausfarbe.
Natürlich kann man auch schön daneben liegen, wenn wie in meinem ersten Fall der Marketingmanager auf der Firmenwebseite im Anzug abgebildet ist, mir dann aber in Jeans & T-Shirt gegenüber sitzt.
Wie rettet man sich in einem solchen Fall?
Mit Offenheit!
Direkt ansprechen, dann ist das Thema gleich zu Anfang geklärt und schwirrt nicht bei allen Beteiligten im Kopf herum, vor allem als Bewerber ist man dann gleich etwas gelöster. „Ich habe den Dresscode wohl etwas falsch eingeschätzt. Ich laufe natürlich nicht nur im Anzug herum und besitze natürlich auch Jeans. Allerdings trage ich sehr gerne Anzüge und es war mir wichtig, mich Ihnen hier angemessen zu präsentieren. Und nachdem Sie auf der Webseite so einen schönen Anzug an hatten, hatte ich die Hoffnung nicht der einzige Anzugträger in der Agentur zu sein.“ – war glaube ich der Satz, mit dem ich die Situation ansprach.
So erfuhr ich auch sofort, dass der Marketingmanager sich nur für Kunden oder Fotos in den Anzug „quetscht“, es allerdings noch mehr Kollegen gäbe, die gerne im Anzug kämen.
Kleinere Unterschiede (z.B. ich trage ein Einstecktuch zum Anzug, mein Gegenüber nicht) sind allerdings nicht erwähnenswert.
Ich beantworte die Frage, ob man im Vorstellungsgespräch overdressed sein kann,
übrigens mit einem klaren NEIN!
Denn wie heißt es so schön: When in doubt, overdress!
Sooooo und die ganz Schlauen hängen jetzt den Frack schön wieder in der Schrank,
die Rede ist hier vom Vorstellungsgespräch und nicht „white tie“ 😉
PS:
Es gibt Stimmen, die sagen man sollte niemals besser gekleidet sein, als der Chef oder in diesem Fall der Personalverantwortliche. Die genaue Bekleidung des Gesprächspartners lässt sich natürlich im Vorfeld schlecht recherchieren und als Freund guter Bekleidung finde ich es beim Blick auf so manche Anzüge (100% Polyester) schon fast unmöglich noch schlechter gekleidet zu sein, es sei denn, ich wäre in Jogginghose unterwegs – aber das Thema ist eine andere Geschichte …